Mundschleimhauterkrankungen

Veränderungen der Mundschleimhaut als selbständige Erkrankung oder Symptom einer Allgemeinerkrankung sind äußerst vielfältig und mitunter nur schwer einschätzbar. Manche treten sehr häufig auf, so daß der Zahnarzt täglich damit konfrontiert wird, andere hingegen sind so selten, daß auch nach 30 und mehr Berufsjahren ein Zahnarzt sie nur von Abbildungen her kennt.
Im folgenden Artikel sollen aus der Vielfalt der Erscheinungen und Erkrankungen der Mundschleimhaut einige herausgegriffen und beschrieben werden:

1. Entzündliche Veränderungen
Ein sehr häufiges Krankheitsbild ist die akute nekrotisierende Gingivitis, die Zahnfleischentzündung, die innerhalb kurzer Zeit zu massivem Gewebeverlust führt, mit erheblichen Schmerzen und Mundgeruch einhergeht und mit Zahnfleischbluten bei der geringsten Berührung.
Bild einer akuten nekrotisierenden ulzerativen Gingivitis (Zahnfleischentzündung)
Ursache ist eine Mischinfektion verschiedener Bakterienarten, wobei Fusospirochäten (spiralförmige und gekrümmte Bakterien) eine größere Rolle spielen.
Ausgangspunkt dieser Infektion aber ist in den allermeisten Fällen eine nicht oder nur äußerst unzureichend durchgeführte Mundhygiene.
In der Fachliteratur wird immer wieder darauf verwiesen, daß für das Vollbild der Erkrankung begünstigende Faktoren hinzukommen müssen, z. B. immunsupprimierende Erkrankungen, wie eine Infektion mit dem HI- Virus oder verschiedene Formen von Leukämien. Dieser Umstand aber konnte in unserer praktischen Beobachtung nicht bestätigt werden, so daß bei den von uns behandelten Fällen immer und ausschließlich die unzureichende Mundhygiene, oft in Verbindung mit Rauchen der alleinige Ausgangspunkt war.  
Schmerzbedingt stellt der Patient das Zähneputzen nun völlig ein, was die Erkrankung noch mehr begünstigt und sogar auf die Wangenschleimhaut oder die Gaumenmandeln übergreifen lassen kann (Angina Plaut- Vincentii).
Bereits aus der Beschreibung der Erkrankung ergibt sich die Therapie - die Hygienisierung der Mundhöhle!
Die Entfernung von Zahnstein und bakteriellen Belägen von den Zahnoberflächen steht hierbei an erster Stelle, schmerzbedingt unter Lokalanästhesie. Flankierend muß noch in derselben Sitzung eine Bürstinstruktion erfolgen, die es dem Patienten ermöglicht, nach Abklingen der Lokalanästhesie trotz immer noch vorhandener Schmerzen wirkungsvoll sich die Zähne zu putzen. Ergänzend kann die Spülung mit Chlorhexidin- Mundspüllösung verordnet werden; die Spülung aber sollte nie an die erste Stelle der Therapiemaßnahmen rücken, weil nur die regelmäßige und kontinuierliche Belagentfernung mit der Zahnbürste vor erneutem Auftreten der Erkrankung schützt.
Nur in Ausnahmefällen ist die Verordnung von Antibiotika indiziert, insbesondere dann, wenn eine Grunderkrankung das Auftreten der akuten nekrotisierenden Gingivitis begünstigt hat.
Sollte dem Patienten eine systemische Grunderkrankung nicht bekannt sein, ist es empfehlenswert, ggf. weitere Diagnostikmaßnahmen einzuleiten, kann doch die akute nekrotisierende Gingivitis durchaus der erste Hinweis auf eine Leukämieform oder dergleichen sein.

Die akute Candidiasis ist gekennzeichnet von weißen, abwischbaren Belägen, unter denen es sofort anfängt, zu bluten.Bild einer akuten Infektion der Mundhöhle mit Candida albicans, einem Hefepilz Auch hierbei können Systemerkrankungen eine Rolle spielen, aber auch schon eine altersbedingte milde Unterfunktion des Immunsystems kann die massenhafte Vermehrung der Candida- Hefepilze in der Mundhöhle begünstigen, die ansonsten bei fast jedem Menschen symptomlos die Mundhöhle besiedeln. Mangelhafte Prothesenhygiene und die Bedeckung von Schleimhaut durch die Prothese sind weitere begünstigende Ursachen der Erkrankung. Der Zahnarzt sieht oft nach Herausnahme der Prothesen eine prothesenkongruente Schleimhautrötung, die vom Patienten manchmal fälschlicherweise als allergische Reaktion auf den Prothesenkunststoff mißdeutet wird. Wird die Prothese auf Drängen des Patienten aus einem anderen Werkstoff neu gefertigt, verschwindet zunächst die Rötung, was den Patienten in seiner Meinung, eine Allergie zu haben, bestätigt. Tatsächlich aber ist lediglich die neue Prothese zunächst noch nicht mit den Hefen besiedelt, was zur Abheilung der Schleimhaut führt. 
Die Therapie besteht neben der Optimierung der Prothesenhygiene in der Anwendung nystatinhaltiger Antimycotika, als Spray, Lutschtabletten oder auch als Prothesenhaftpulver. Wichtig bei aller antimycotischer Therapie ist die Fortführung über etwa 2 Wochen nach dem Verschwinden der letzten Symptome, damit nach dem Absetzen die Pilzsporen nicht sofort wieder zum Erkrankungsrediziv führen (gleiches gilt auch für die Behandlung von Hautpilzerkrankungen!)
Zu beachten ist unbedingt die Darreichungsform des Medikaments: Lutschtabletten sind für kleine Kinder ungeeignet - Sprays sind hierbei besser, 4-6 mal täglich muß damit die gesamte Mundhöhle ausgesprüht werden.
Da es lästig ist, 4-6 mal täglich zum Lutschen von antimycotischen Tabletten die Prothese herauszunehmen, denn nur so werden die von ihr bedeckten Schleimhäute erreicht, kann hierzu das antimycotische Prothesenhaftpulver gute Dienste leisten.

2. Mundschleimhautveränderungen in Verbindung mit einer Infektion mit dem HI- Virus
Mit der Einführung einer effektiven antiretroviralen Kombinationstherapie konnten auch die Begleiterscheinungen von AIDS wesentlich zurückgedrängt werden, so daß die folgenden spezifischen Mundschleimhauterkrankungen nur noch selten auftreten.
Neben der akuten nekrotisierenden Gingivitis kann natürlich auch eine akut auftretende Candidiasis auf die Infektion mit dem HI- Virus hindeuten. Etwas spezifischer aber ist die Haarleukoplakie, verursacht nicht direkt vom HI- Virus, sondern vom Epstein- Barr- Virus, einem Herpesvirus mit hoher Durchseuchungsrate in der Bevölkerung, welches bei ansonsten Gesunden nur äußerst selten Krankheitssymptome verursacht (z. B. das Pfeiffersche Drüsenfieber).
Die HIV- bedingte Immunsuppression aber kann bewirken, daß das Epstein- Barr- Virus in der Mundhöhlenschleimhaut Symptome, zu sehen im nachfolgenden Bild, verursacht.
Bild einer Haarleukoplakie bei HIV- Infektion

Das Kaposi- Sarkom der Mundhöhle und der Gingiva weist noch dringender auf eine Infektion mit dem HI- Virus und der damit einhergehenden Immunsuppression hin. Es handelt sich hierbei um eine Neubildung von Blutgefäßen mit entsprechenden Erweiterungen und Aussackungen. Das Kaposi- Sarkom wurde zwar schon lange vor dem Auftreten der AIDS- Epidemie 1872 beschrieben, war aber bis 1983, dem Jahr der Entdeckung des HI- Virus, eine Rarität.
Bild eines Kaposi- Sarkoms der Gingiva (des Zahnfleisches)
Nach Einleitung einer effektiven antiretroviralen Therapie kann sich auch das Kaposi- Sarkom zurückbilden.

(Differentialdiagnostisch abzugrenzen vom Kaposi- Sarkom ist das Hämangiom, eine ziemlich häufige, aber harmlose Aussackung einer Vene, zumeist an der Lippe. Ausdrücken und anschließendes sich Wiederfüllen sichern die Diagnose. Da eine Verletzung zu größeren Blutverlusten führen kann, sowie auch aus ästhetischen Gründen ist eine operative Entfernung angeraten.)

3. Gut- und bösartige Neubildungen in der Mundhöhle, Vorstufen von Krebs (Präkanzerosen)
Das im Bild dargestellte Karzinom der Zungenunterseite unterscheidet sich beim ersten Hinsehen nicht von einer verrukösen (warzenförmig aufgeworfenen) Leukoplakie.
Bild eines Zungenkarzinoms (Plattenepithelkarzinom)
Eine Leukoplakie ist zunächst einmal nicht mehr als ein weißer Fleck. Erst die histologische Untersuchung nach Biopsie kann eine exakte Diagnose erbringen, so daß die folgende Einteilung von Leukoplakien lediglich phänomenologischen Gesichtspunkten folgt.
Leuködem: Ein grauweißer, nichtabwischbarer Schleier bedeckt weite Teile der Mundhöhlenschleimhaut, zumeist aber das vordere Wangendrittel. Die Ursache für diese Veränderung ist vor allem im Rauchen zu sehen.
Plane Leukoplakie: Ein deutlich abgegrenzter weißer Fleck ist nicht erhaben gegenüber der umgebenden Schleimhaut.
Verruköse Leukoplakie: Der weiße Fleck zeigt deutliche Verwerfungen und Knötchen.
Carcinoma in situ: Das Plattenepithel der Mundhöhle ist maligne entartet, hat aber die umgebenden histologischen Strukturen, insbesondere die Lamina basalis (die untere Kollagenschicht des Plattenepithels zum Übergang ins Bindegewebe) noch nicht durchbrochen.
Nach derzeitiger Auffassung gelten das Leuködem und die plane Leukoplakie noch nicht als Präkanzerosen, die verruköse Leukoplakie und das Carcinoma in situ aber unbedingt! Da aber diese Schleimhautveränderungen fast ausschließlich eine Folge des Rauchens sind, kommt unserer Meinung nach aber auch den ersten beiden Stufen die Qualität eines Risikofaktors zu.
Eindrucksvoll kann man die Rückbildung eines Leuködems verfolgen, wenn der Patient mit dem Rauchen aufhört, was leider viel zu selten vorkommt!

Bürstenbiopsie:
Da die Form des weißlichen Fleckes jedoch sich selten nach der o.g. Einteilung richtet und ein Carcinoma in situ kaum klinisch sicher ausgeschlossen werden kann, leistet die Bürstenbiopsie hierzu gute Dienste. Mit einer Bürste wird über den weißen Fleck gerieben und die abgeschilferten Zellen werden anschließend auf einem Objektträger mit Formaldehyd fixiert. Die computergestützte mikroskopische Auswertung im histologischen Labor gibt Hinweise auf das Vorliegen atypischer Zellen und die eventuelle Notwendigkeit einer nachfolgenden klassischen histologischen Untersuchung.

Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle:
Dieser häufigste bösartige Tumor der Mundhöhle wird ganz wesentlich durch das Zusammenkommen dreier Risikofaktoren begünstigt, dem bereits mehrfach erwähnten Rauchen, Alkoholabusus, insbesondere mit Alkoholika aus Eichenfässern und völlig unzureichender Mundhygiene.
Hat der Tumor die Basalmembran durchbrochen, ist er beim Tastbefund immer hart.
Die Therapie richtet sich nach Sitz und Ausdehnung des Primärtumors, dem Befall der umgebenden Lymphknoten, Fernmetastasen. Eine frühzeitige Erkennung verbessert die Therapieerfolge und Langzeitprognose für den Patienten, wozu die Büstenbiopsie als erster Schritt ganz wesentlich beitragen kann.

Auch der Lichen ruber bzw. Lichen planus reticularis wird in der Fachliteratur unterschiedlich bewertet bezüglich der Frage, ob er als Präkanzerose anzusehen sei. Deutlich ist im beigefügten Bild die Wickhamsche Streifung und das häufigste Auftreten im hinteren Wangendrittel zu sehen.
Bild eines Lichen planus im hinteren Wangendrittel mit gut erkennbarer Wickhamscher Streifung
Manche Autoren beschreiben eine Rückbildung nach Entfernung aller Amalgamfüllungen.
Unserer Meinung nach sollte eine regelmäßige Kontrolle dieser Erkrankung mittels Bürstenbiopsie erfolgen.
Auch auf der äußeren Haut kann der Lichen ruber auftreten, insbesondere an den Handgelenken und im Genitalbereich.

Gutartige Tumoren:
Sehr häufig in der Mundhöhle anzutreffen sind das Papillom und das Fibrom (s. beigefügtes Bild).
Bild eines Fibroms (gutartiger Bindegewebstumor)
In vielen Fällen ist eine Entfernung nach Lokalanästhesie mit einem einfachen Scherenschlag und anschließender Wundnaht möglich, bei breitbasigem Aufsitzen durch Keilexcision. Insbesondere ein Fibrom, ein gutartiger bindegewebiger Tumor kann sich durch permanenten Unterdruck in einer Zahnlücke bilden (Saugfibrom); da eine ständige Verletzung beim Kauen droht, sollte es frühzeitig entfernt werden.  

4. Mangelerkrankungen
Eine sehr häufige Mangelerkrankung, insbesondere bei Frauen, stellt der Eisenmangel dar.
Bild einer Zunge ohne Papillen bei Eisenmangel
Bevor die Zunge die im Bild dargestellte glatte Oberfläche ohne Papillen aufweist, treten zumeist Rhagaden, schmerzhafte Einrisse der Mundwinkel, auf. Auch das Allgemeinbefinden ist beeinträchtigt, Müdigkeit und Leistungsverlust sowie Blässe der Haut sind weitere Symptome. Die Therapie besteht in der Gabe von Eisenpräparaten, leichtere Formen können mit rotem Früchtetrank mit Eisenzusatz und Blutwurst kuriert werden. 

Der Vitamin-C- Mangel, Skorbut, ist durch massive Blutgefäßschäden gekennzeichnet. Zahnfleischentzündungen durch Funktionsverlust der Immunzellen und Lockerung der Zähne treten auf, der Erkrankungsverlauf endet tödlich.
Bild einer Zahnfleischentzündung bei Vitamin-C- Mangel (Skorbut)
Nachdem die Briten den Zusammenhang zwischen Mangel an Früchten und langen Seereisen bei ihren Seeleuten erkannt hatten, nutzen sie dieses Wissen zum Ausbau ihrer Macht auf den Weltmeeren. Saft aus gepreßten Kiefernnadeln lieferte das nötige Vitamin C auf ihren Fahrten, nachdem ihnen Indianer diesen als Heilmittel für die komplex erscheinende Krankheit Skorbut empfohlen hatten.
In Deutschland war lange Zeit Sauerkraut die einzige Vitamin-C- Quelle über die langen Wintermonate.
In der heutigen Zeit ist diese Vitaminmangelerkrankung nahezu verschwunden, da die Verfügbarkeit von frischem Obst und Gemüse zu allen Jahreszeiten gewährleistet ist. Die beigefügte Abbildung zeigt das solitäre Auftreten von Skorbut nach langzeitiger, extrem einseitger Ernährung, möglicherweise aufgrund einer psychischen Erkrankung.

5. Medikamentennebenwirkungen
Die oben bereits erwähnte akute Candidiasis kann auch als Folge einer vorherigen Antibiotikatherapie auftreten, aufgrund derer das Gleichgewicht der Mikrooganismen in der Mundhöhle gestört wird und die Hefepilze plötzlich bessere Wachstumsbedingungen erhalten.

Medikamente, die den Speichelfluß hemmen, führen zur Mundtrockenheit und massivem Anstieg der Kariesanfälligkeit.

Hydantoinpräparate, verabreicht als Antiepileptika, können zu einer Verdickung der Gingiva (des Zahnfleisches) führen, mitunter verschwinden sogar die Zähne optisch völlig hinter den verdickten Zahnfleischgirlanden. Eine remodellierende Zahnfleischoperation schafft Abhilfe.  

Zytostatika und Chemotherapeutika können zum massenhaften Auftreten von Aphten führen, kleinen weißlichen, schmerzhaften Flecken, die auch nach Mikroverletzungen, beispielsweise durch das Abrutschen der Zahnbürste entstehen.

Eine eindrucksvolle Nebenwirkung einer Spülbehandlung über 4 Wochen mit dem Therapeutikum Chlorhexidin zur Bakterien- und Entzündungsbekämpfung stellt die schwarze Haarzunge dar (Bild). Damit einher geht eine Geschmacksverminderung, weswegen die Chlorhexidinspülung keine Dauertherapie darstellt und spätestens nach 4 Wochen beendet sein sollte. Nach Absetzen des Medikamentes verschwinden die Symptome allmählich, die chlorhexidinbedingten Verfärbungen der Zähne aber lassen sich nur durch eine professionelle Zahnreinigung wieder entfernen. 
Bild einer Schwarzen Haarzunge